Dienstag, 24. Februar 2015

To Vorschule or not to Vorschule?

Die Frage To be or not to be scheint geradezu einfach wenn man vor der Entscheidung steht: Vorschule oder erste Klasse? Mich beschäftigt gerade dieses Thema. Und siehe da, kaum hat man in der Nachbarschaft herumgefragt, wie die zur Vorschule steht, da hat man eine wahre Kiste der Pandora aufgemacht.

Zunächst: Bei der Frage Vorschule: ja/nein geht es mir nicht darum, dass mein Kind ein zweiter Mozart werden soll. (Das sagen vermutlich alle Eltern). Ein kleiner Genie, durch jenes zusätzliches Bildungsjahr fürs Leben geformt. Eher ist es für mich völlig normal, dass ein Kind mit fünf Jahren eingeschult wird. In England geht man mit fünf in die Schule, manche mit vier. Die Kinder wechseln von wenigen Stunden Kindergarten zur Ganztagsschule samt Schulmittagessen und Uniform. Von 0 auf 100, bildungstechnisch gesehen. Hat es irgendjemand besonders geschadet oder gefördert? That’s the way it is.

Bei meiner inoffiziellen Umfrage unter Freunden und Kollegen gab es neben einer positiven Stimme zur Vorschule („Sie ist toll; die Kinder müssen jeden Morgen ‚Guten Morgen’ sagen!“) vor allem negative Meinungen: übergroße Klassen, überforderte Lehrer, hieß es wiederholt. And don’t get me started on the GBS. Dabei handelt es sich nicht - für die Nicht-Hamburger unter den Lesern - um ein Navigationsgerät (wobei eines für das Schulsystem durchaus nützlich wäre), sondern um die Ganztagsbetreuung (GBS) an den Hamburger Schulen. Hier eine Auswahl der Soundbites von GBS-betroffenen Eltern: „Neunjährige müssen Ausmalbilder malen!“ „Tägliche Schlägereien unter 8-Jährigen!“ Weniger Betreuung als Beschäftigung scheint da das Motto zu sein, im Sinne von: Sollen die Kids sich doch selbst beschäftigen.

Vor ein paar Wochen stolperte ich im Hamburger Abendblatt über eine Anzeige mit der Überschrift: „Betreuung an der Schule“. Darin werden „Honorarkräfte für Tagesbetreuung an Kitas und Schulen für Vorschulkinder und Grundschüler gesucht“, für die „Freizeitgestaltung im Rahmen der Ganztagsbetreuung“. Voraussetzung: „Freude und Erfahrung im Umgang mit Kindern“. Wie bitte? Demnach könnte sich jeder Clown aus dem nächstliegenden Zirkus für die Stelle melden. Oder ich als Mutter, wenn auch erst seit fünf Jahren, habe ich schon einige „Erfahrungen“ gesammelt.

Sollten wir überhaupt so ehrgeizig für unsere Kinder sein? Statt ihnen beizubringen, wie sie die nächsten guten Noten anpeilen sollen, sollten sie nicht lernen, das Leben zu navigieren? Dankbar für jedes Schulessen sein? Trainieren, wie man den Klassen-Tyrann in den besten Freund wandelt; wie man seine Multitasking-Qualitäten samt Smartphone und Lehrbuch perfektioniert, und überhaupt den ganz gewöhnlichen Alltagsstress handelt? Erzieht man Kinder darin, nur Leistung und Perfektion anzustreben, werden sie im späteren Leben nie zufrieden sein.

Insofern ist es vielleicht gar nicht schlecht was an den Hamburger Schulen passiert. Etwas Stress hat niemand geschadet. Die Erfahrungen, wie man sich auf dem Schulhof durchboxt kann für später durchaus nützlich sein. Und vielleicht wartet man mit der Ausbildung seines kleinen Mozarts doch noch ein Jahr...






Dienstag, 17. Februar 2015

Tally Ho!


Kürzlich habe ich einen Radio-Beitrag über das Ende der englischen Fuchsjagd as we knew it gehört: Seit zehn Jahren wird keine Fuchs mehr gejagt, sondern ein Reiter, der anhand eines mit Fuchsurin-getränkten Tuchs (ja, das gibt es) eine Spur legt, die die Hunde folgen, um am Ende feststellen zu müssen, dass ihnen keine saftige Fuchs erwartet, die sie mit ihren zarten Beißerchen auseinander reißen können. Da musste ich daran denken, wie ich über das neue Jagdgesetz der damaligen Labour-Regierung berichten musste und selbst für die deutsche Financial Times an einer Jagd teilnahm. 

Es war sagen wir, eine interessante Erfahrung. Denn ich musste feststellen, dass ich mit meiner Anti-Jagd-Einstellung hochnäsiger war als so mancher Upperclass-Jäger. Die Stimmung vor Ort war mehr wie bei einem Picknick als auf einer blutrünstigen Jagd. Hier und da wurde auf dem Pferderücken ein Päuschen eingehalten - mit einem kleinen Sherry zur Verstärkung, versteht sich. Es nahmen sowohl Sechs- als auch Sechzigjährige teil. Als ein betagter Herr vom Pferd stürzte, der überenthusiastisch über ein Tor gesprungen war, und unelegant in die nächste Pfütze segelte, bürstete er sich schnell ab und setzte sich jovial wieder auf sein Ross. 

Kurzum: Es wurde geritten, gequatscht, die Landschaft bewundert, die letzten Dorfneuigkeiten ausgetauscht, und, ach ja, da war doch was: die Fuchs, bzw. die Fuchsspur. Die Hunde rannten, als hätten sie nie so etwas Aufregendes getan. Die Reiter folgten mit lässigem Enthusiasmus. Alles in allem war es ein unterhaltsamer Ritt, der den größten Teil eines Tages dauerte und bei dem das Wort: "Fuchszerfleischung" nicht einmal zu hören war. 

Entgegen der weitverbreiteten Meinung damals, scheinen sich viele Jagdparteien heute damit abgefunden haben, dass sie kein echtes Tier mehr jagen dürfen. Vielleicht weil der "Sport", der einst von Autoren wie Anthony Trollope zelebriert wurde, in seiner heutigen Form die Sinnlosigkeit dessen spiegelt, was die Jagd lange zu repräsentieren versuchte: den Fortbestand ländlicher Traditionen. Vielleicht auch, weil die meisten Fuchsjäger nicht mehr adliger Toffs sind, die den traditionellen Jagdschrei "Tally Ho!" rufen, sondern erholungsbedürftige, wohlhabende Geschäftsleute aus der Hauptstadt.

...

Auf der Suche nach der Fuchsjagd-Reportage entdeckte ich einige andere Artikel, die ich vor zehn - zehn! - Jahren geschrieben habe. Unter anderem eine Reihe von Kolumnen aus meiner "Fräulein Brown"- Serie in der Frankfurter Rundschau. Diese im Bild rührte mich. Denn meine Heimat ist längst eine andere geworden, auch wenn ich manchmal Schwierigkeiten habe, es zuzugeben: Hamburg.

Donnerstag, 12. Februar 2015

How to make news


Vor einigen Jahren arbeitete ich als Redakteurin bei einem deutschen Auslandssender. Unsere Zielgruppe war, könnte man sagen, sehr speziell: Es handelte sich um Menschen, die im englischsprachigen Ausland lebten, vornehmlich USA und Großbritannien, die deutschstämmig waren aber selbst kein Deutsch sprachen. Oder um Briten und Amerikaner generell, die sich für deutsche Themen interessierten und diese auf Englisch lesen wollten.

Heute ist es vermutlich leichter geworden, diese Zielgruppe zu erreichen. Wenn man in London erzählt, man lebt in Deutschland, dann hört man oft, „ja, toll, ich finde Berlin auch super!“ Berlin ist hip geworden, bei kreativen Mittdreißigern sowohl bei Rentnern, die mit den Billigairlines Europe-hopping betreiben, und mit Berlin scheinbar ganz Deutschland. Angela Merkel hat zudem einiges dazu beigetragen: Die Kanzlerin taucht so regelmäßig auf der Titelseite der Economist auf wie Freddie Frinton über den Tigerteppich stolpert.

Damals war es anders: Bush saß im Weißen Haus, Schröder im Kanzleramt; das europäische Kontinent galt als verstaubt und unbequem. Und wir beim deutschen Auslandssender hatten die Aufgabe für unsere Leser auf der anderen Seite des Teiches diese Welt sexy zu machen.

Im Redaktionsteam für die englischsprache Newsseite haben wir auf so mancher Konferenz darüber diskutiert, ob man Guido Westerwelle tatsächlich an unserer Zielgruppe verkaufen könnte? - und darüber, wie man on a slow day die Klickzahlen antreiben könnte. Traurigerweise gab es zwei Themenbereiche, die diese tatsächlich zuverlässig in die Höhe trieben: Leichtbekleidete Damen und Nazi-Themen.

Diese Tage hätten wir es insofern leichter, da Deutschland im englischsprachigen Ausland nicht nur populärer oder angesehener geworden ist, sondern weil die Themen stimmen. Kaum eine Newsseite, ob seriöser Zeitung oder Boulevardblatt, die nicht ein Still aus dem neuen „Shades of Grey“-Film zeigt. Und Pegida, DDFE und co. sorgen für ein neues, brisantes Kapitel in der deutschen Politik, die im Ausland immer wieder für „gute“ Schlagzeilen sorgt.

Donnerstag, 5. Februar 2015

Auf Wiedersehen Page 3?


In Deutschland muss ich manchmal in Gedanken schmunzeln, wenn ich die berühmte „Seite 3“ aufschlage: einer der seriösesten, hintergründigsten Seiten einer Zeitung. In Großbritannien bedeutet Page 3, man kann es nicht anders sagen: Boobs! 

Bzw. – einst bedeutete es das. Die Zeitung The Sun hat angekündigt, nach 45 Jahren keine Sandras (21, aus Birmingham) oder Eleanors (19, aus Essex) mehr mit nacktem Oberkörper auf besagter Seite zu präsentieren. Der Schritt erfolgte eher leise im Vergleich zu der Furore, mit der die „No More Page 3“-Kampagne mit lautstarken Demonstrationen vor den Toren der Zeitung protestierten.

Ein historischer Moment also, wie eine Aktivistin das Ende der Page 3 bezeichnete? Möglicherweise nicht, wie zunächst angenommen: Nackte Brüste sind in den Zeitungskiosks und im Netz nach wie vor omnipräsent. Und die letzten Ausgaben der Sun bewiesen: Frauen werden weiterhin auf der Seite 3 objektiviert, nur künftig in Unterwäsche. 

Und doch scheint sich etwas zu ändern. Sogar das berühmteste Page 3-Girl Katie Price aka Busenmodel Jordan ihre chirurgisch erweiterten Brüste kürzlich um 5 Größen (gasp!) auf die Körbchengröße C reduzieren lassen. Die bekanntlich scheue Schauspielerin Keira Knightley posierte Ende vergangenen Jahres mit nacktem Oberkörper im Interview magazine – solange man versprach, die Bilder nicht zu retuschieren. Sängerin Miley Cyrus kann nicht genug davon bekommen, sich in ihrer ganzen, unzensierten Schönheit auf der für seine eher Brustwarzen-feindlichen Haltung bekannten Seite Instagram.

Zunehmend wollen die Damen also selbst entscheiden, wie sie was zeigen wollen. Sie wollen zeigen, was sie haben, nur aus anderen Gründen als bisher. Aus Spaß, im Namen der Vielfalt, für sich, für ihren Haustier. Nicht nur für die Männer.

Das deutsche Gegenpart zur Sun zeigte sich dagegen traditioneller: Aus Anteilnahme angesichts des Ende der britischen Page 3-Ära zeigte die Bild Zeitung ihre „fünf heißesten Oben-Ohne-Girls“ aus der Sun. Natürlich auf ihrer dritten Seite.