Zunächst: Bei der Frage „Vorschule: ja/nein“ geht es mir nicht darum, dass mein Kind ein zweiter Mozart werden soll. (Das sagen vermutlich alle Eltern). Ein kleiner Genie, durch jenes zusätzliches Bildungsjahr fürs Leben geformt. Eher ist es für mich völlig normal, dass ein Kind mit fünf Jahren eingeschult wird. In England geht man mit fünf in die Schule, manche mit vier. Die Kinder wechseln von wenigen Stunden Kindergarten zur Ganztagsschule samt Schulmittagessen und Uniform. Von 0 auf 100, bildungstechnisch gesehen. Hat es irgendjemand besonders geschadet oder gefördert? That’s the way it is.
Bei meiner inoffiziellen Umfrage unter Freunden und Kollegen gab es neben einer positiven Stimme zur Vorschule („Sie ist toll; die Kinder müssen jeden Morgen ‚Guten Morgen’ sagen!“) vor allem negative Meinungen: übergroße Klassen, überforderte Lehrer, hieß es wiederholt. And don’t get me started on the GBS. Dabei handelt es sich nicht - für die Nicht-Hamburger unter den Lesern - um ein Navigationsgerät (wobei eines für das Schulsystem durchaus nützlich wäre), sondern um die Ganztagsbetreuung (GBS) an den Hamburger Schulen. Hier eine Auswahl der Soundbites von GBS-betroffenen Eltern: „Neunjährige müssen Ausmalbilder malen!“ „Tägliche Schlägereien unter 8-Jährigen!“ Weniger Betreuung als Beschäftigung scheint da das Motto zu sein, im Sinne von: Sollen die Kids sich doch selbst beschäftigen.
Vor ein paar Wochen stolperte ich im Hamburger Abendblatt über eine Anzeige mit der Überschrift: „Betreuung an der Schule“. Darin werden „Honorarkräfte für Tagesbetreuung an Kitas und Schulen für Vorschulkinder und Grundschüler gesucht“, für die „Freizeitgestaltung im Rahmen der Ganztagsbetreuung“. Voraussetzung: „Freude und Erfahrung im Umgang mit Kindern“. Wie bitte? Demnach könnte sich jeder Clown aus dem nächstliegenden Zirkus für die Stelle melden. Oder ich als Mutter, wenn auch erst seit fünf Jahren, habe ich schon einige „Erfahrungen“ gesammelt.
Sollten wir überhaupt so ehrgeizig für unsere Kinder sein? Statt ihnen beizubringen, wie sie die nächsten guten Noten anpeilen sollen, sollten sie nicht lernen, das Leben zu navigieren? Dankbar für jedes Schulessen sein? Trainieren, wie man den Klassen-Tyrann in den besten Freund wandelt; wie man seine Multitasking-Qualitäten samt Smartphone und Lehrbuch perfektioniert, und überhaupt den ganz gewöhnlichen Alltagsstress handelt? Erzieht man Kinder darin, nur Leistung und Perfektion anzustreben, werden sie im späteren Leben nie zufrieden sein.
Insofern ist es vielleicht gar nicht schlecht was an den Hamburger Schulen passiert. Etwas Stress hat niemand geschadet. Die Erfahrungen, wie man sich auf dem Schulhof durchboxt kann für später durchaus nützlich sein. Und vielleicht wartet man mit der Ausbildung seines kleinen Mozarts doch noch ein Jahr...