Letzte Woche war der Name Jacqueline Howett noch weitgehend unbekannt in der Welt, wie zahlreiche Erstromanautoren, mich eingeschlossen. Bekannt wurde Howett allerdings nicht, weil man ihr literarisches Talent plötzlich erkannt hat, sondern weil sie selbst zu einem Internetphänomen geworden ist: Howett erlaubte es sich, einen Buchkritiker (vom beliebten Indie Buchblogger BigAl: http://booksandpals.blogspot.com) zu widersprechen, der ihr Werk mit zwei Sternen auszeichnete und diesem vor allem wegen der im Werk enthaltenen Rechtschreibungsfehler ermahnt hatte. Howetts Reaktion begann damit, ihr Buch als „ausgezeichnet“ anzupreisen, die Besprechung dann als „Missbrauch“ zu verdammen, um daraufhin BigAl aufzufordern, seine Besprechung sofort zu entfernen („Now get this review off here!“) und sich schließlich mit einem eleganten „fuck off!“ zu verabschieden.
Der Sturm – eine Mischung aus Verwunderung und Entrüstung über Howett - entfachte sich schnell in den Online-Communities der Literaturwelt, was nicht überraschte, schließlich weiß man eines als Autor, dass Buchbesprechungen gefälligst zu ignorieren sind. Dass die Autorin, die ihr Buch selbst veröffentlichte, vielleicht doch etwas Unterstützung bei der Korrektur hätte holen sollen (und ihre Unfähigkeit, mit negativer Kritik umzugehen, vielleicht dazu geführt hat, dass sie keine geholt hat), ist eine Sache – ich zum Beispiel habe alle Entwürfe meines Romans nur einer Person gezeigt, meiner Mutter, vermutlich in der Hoffnung, sie würde vor lauter bedingungsloser Mutterliebe mich nicht zu sehr kritisieren (falsch gedacht).
Tatsächlich haben alle Autoren vermutlich ein, oder mehrmals mit den Gedanken gespielt, dem einen oder anderen Kritiker eine schlichte „fuck off“-Mail zu senden. Negative Besprechungen bedeuten schließlich viel mehr als Positive: nicht nur, wie die Autorin Jean Edelstein in der „Guardian“ behauptet, weil gute Besprechungen den Glauben des Autors bestätigen, dass man doch so talentiert sei; sondern weil schlechte Kritiken schlichtweg die schlimmsten Befürchtungen eines Schreibers bestärken: nämlich, dass man gar nicht schreiben kann. Die preisgekrönte britische Lyrikerin Wendy Cope erzählte neulich in einem Interview, dass sie sich selbst ertappt hatte, wie sie immer weniger schrieb, weil sie, wie sie feststellen musste, Angst vor dem Versagen hatte. Das Gefühl kann ich als Autorin bestätigen: Ich habe so viele halb fertige Kurzgeschichten in meinem Notizheft gekritzelt, dass man daraus ein ganzer Roman verfassen könnte. Diese auf meinem Rechner abzutippen und so zu konkretisieren, ist allerdings eine Tat, die für mich einen Blick in einem tiefen, dunklen Abgrund gleicht.
Als unbekannter Erstautor ist es so schwer, seine Leser zu erreichen, dass jede schlechte Kritik doppelt wehtut. Ich selbst habe, nach einigen ersten erfreulichen Besprechungen in der deutschen Presse, eine Kritik erfahren dürfen, in der eine Dame (und laut Amazon erfahrene Top-Rezensentin) behauptete, die Mängel an meinem Buch würden daran liegen, dass das Gefühlschaos meiner Protagonistin zu sehr ans Leben der Autorin angelehnt sei. Wie gerne hätte ich zurückgeschrieben, dass das ganz und gar nicht der Fall ist, und dass auch Personen mit 30, wie in meinem Buch beschrieben, durchaus irrationale Entscheidungen treffen können, auch wenn die Rezensentin solche emotionelle Aufs und Abs selbst vielleicht nicht erfahren hat.
Ich habe ihr natürlich nicht geantwortet. Ich möchte nicht wie Jacqueline Howett nur für meine fehlende Kritikfähigkeit bekannt werden. Vor allem wäre ich nie Autor geworden, wenn ich nicht bereit wäre, mich der großen, gefährlichen Meinungswelt auszusetzen. Autor zu sein heißt, dass man (hoffentlich) Leser hat, und die werden einem nicht immer wohl gesonnen sein. Stattdessen sollte man ihre Kritik dafür nutzen, einen besseren Autor zu werden. Von daher: Danke liebe negative Rezensentin. Wegen Ihnen werde ich hoffentlich das nächste Mal ein besseres Buch schreiben.